dazwischen

»dazwischen«
Gustav Mahlers 4. Sinfonie
Ein Raum-Klang-Projekt in der Fleischmarkthalle

Fantastische Schatten wirft Gustav Mahlers 4. Sinfonie: Zwischen Kinderlieder anklängen, Schellenklirren, Humoristik, Paradiesvisionen und düsteren Abgründen öffnen sich doppelbödige und enorm farbenreiche Klangwelten. Eine Reise hinein ins Unterbewusste, vom Diesseits ins Jenseits, rückwärts in der Zeit oder ein Tanz im Kreis – das sind nur einige der Assoziationen, die das Stück bei seinen Hörer:innen wecken kann.
Extreme Perspektivwechsel auf wiederkehrende Melodien führen dabei dazu, dass die Musik sich ständig selbst zu hinterfragen scheint. Jeder Klang hat hier mindestens zwei Gesichter. Kann man da der eigenen Wahrnehmung noch trauen? In der Fleischmarkthalle Karlsruhe kombiniert das JKMT die Liveaufführung dieser Musik in der klanglich verdichteten und hochspannenden Kammerfassung von Klaus Simon mit einem Raum, der eine individuelle und ungewöhnlich nahbare Konzerterfahrung für Publikum und Musiker:innen gleichermaßen möglich macht. Während wir uns mit Mahlers Musik zwischen den Assoziationen bewegen und ihren klanglich-schillernden Wendungen lauschend folgen, erforschen wir gemeinsam den Raum, der sich dabei im »dazwischen« auftut.

Was kann ein klassisches Sinfoniekonzert alles sein? Was gehört in jedem Fall dazu, ist unverzichtbar, was nicht unbedingt nötig – und was fehlt uns manchmal vielleicht sogar? Muss ich zwingend stillsitzen, mich ganz auf die Darbietung konzentrieren? Muss die Musik im Mittelpunkt stehen? Muss ich Leben und Leiden des Komponisten kennen? Brauche ich bestimmte Kenntnisse, um klassischer sinfonischer Musik einen lohnenden Mehrwert abgewinnen zu können? Muss ich elegant gekleidet sein und die Konzertetikette beherrschen? Ist es notwendig, dass unterdrückte Huster und Applaus – aber bloß nicht zwischen den Sätzen! – die einzig geduldeten Lebenszeichen des Publikums darstellen, während die Musik spielt? Und wo spielt diese Musik eigentlich? Auf der Bühne? Oder in den Ohren aller Anwesenden? Klanglich bleibt sie nicht auf die Bühne beschränkt sondern füllt den ganzen Raum. Trotzdem sind Künstler:innen und Zuhörer:innen immer sorgsam räumlich voneinander getrennt. Garantiert das ein optimales Konzerterlebnis? Oder schränken solche Gewohnheiten nicht die Vielfalt, wie wir klassiche Konzerte erleben können, deutlich ein? Wie unterscheiden sich die Musiker:innen in der Art, wie sie die von ihnen erzeugte Musik wahrnehmen, von ihrem Publikum? Ist ein Konzert nicht auch immer eine gemeinschaftlich geteilte Erfahrung? Wie können wir den Konzertbegriff räumlich und assoziativ erweitern – und welche spannenden Reibungen und Wechselwirkungen würden sich daraus ergeben?

Wir stellen uns einen offenen Raum vor, in dem sich das Publikum frei bewegen kann. Was bei gängigen klassischen Konzerten nicht möglich wäre, soll hier gewährleistet sein: Möchte ich den Platz wechseln, möchte ich auf dem Boden sitzen, an der Wand stehen, mit der Musik durch den Raum wandern, von draußen zuhören, mir, während das Konzert läuft, ein Getränk kaufen – all das soll möglich sein.
Mahlers 4. Sinfonie im kammermusikalischen Arrangement von Klaus Simon (reduziert auf 14 Orchestermitglieder) gibt uns den Raum für eine unkonventionelle Anordnung ohne den gewohnten Abstand zwischen Bühne und Publikum. Es kann also auch möglich sein, sich um das Orchester herumzubewegen, was eine ganz andere Nähe zwischen Musiker:innen und Zuhörenden erzeugt. Ein unmittelbares, spannendes Kunsterlebnis soll entstehen. Zudem gibt der Raum selbst assoziative Impulse und Veränderungen mit hinein und reagiert so auf die Farbwechsel und Bewegungen der Musik oder nimmt sie auch selbst vorweg. Die Sinfonie selbst wird individuell begehbar und lädt als Raum-Klang-Projekt zum Entdecken ein.

Konzerte am 22. & 23. April 2023
Fleischmarkthalle
Alter Schlachthof 13, 76131 Karlsruhe

Junges Kollektiv Musiktheater (JKMT) Karlsruhe

jungeskollektivmusiktheater.de